Böll.Thema Umweltpolitik: Natur

Natur als Quelle von Profit

Der Umwelt einen Preis zu geben, um sie so zu schützen – dieser Ansatz degradiert Pflanzen, Tiere und Ökosysteme zu Dienstleistern und nimmt dabei insbesondere die «Leistungen» in den Blick, die messbar und «nützlich» sind. Indigenen Völkern ist diese Sicht völlig unverständlich – also gerade denen, die Natur nutzen, ohne sie großflächig zu zerstören.

Natur und Ökonomie, das ist eine schwierige Beziehung, und Ökonomisierung der Natur ein Reizthema. Während sie für die einen ein zentraler Hebel ist, um Naturschutz in der Mitte der Gesellschaft zu etablieren, führt sie für die anderen zu einer problematischen Monetarisierung und bereitet einer kapitalistischen Aneignung der Natur den Weg.

Die Debatte wird dadurch nicht einfacher, dass unter der Überschrift Ökonomisierung ganz Verschiedenes verstanden wird. Grob lassen sich zwei Grundlinien ausmachen, die aber oft nicht klar voneinander geschieden sind. Zum einen geht es darum, die verborgenen Leistungen der Natur sichtbar zu machen; so leistet ein gesunder Wald einen wichtigen Beitrag zu sauberem Trinkwasser. Zum andern kann man die Natur selbst wie ein Wirtschaftssystem beschreiben. Hiermit verknüpft sich die attraktive, aber eben problematische Perspektive, Naturschutz zu einer Quelle des Profites zu machen. Das Konzept des «Reducing Emissions from Deforestation and Forest Degradation» (REDD) will den Erhalt von Wald monetär so stark belohnen, dass Entwaldung ökonomisch unattraktiv wird.

Der wohl erfolgreichste Ansatz im weiten Feld der Ökonomisierung ist das Paradigma der «Ecosystem Services» (ES), der Dienstleistungen der Ökosysteme. Das 2005 veröffentlichte «Millenium Ecosystem Assessment» (MA), eine Studie der Vereinten Nationen über den globalen Zustand von 24 Schlüssel-Ökosystemen, verhalf ihm zu einem bemerkenswerten internationalen Siegeszug, sowohl in der Sprache der globalen Umweltpolitik wie in der Wissenschaft. Intention des MA war es, die Services der Natur in einer Weise sichtbar zu machen, die auch für Ökonomen verständlich ist. Services, (Dienst-)Leistung, ist ein etablierter Begriff, mit dem sowohl eine breite Öffentlichkeit als auch die Ökonomie etwas anfangen kann.

Nun bedeutet der ES-Ansatz, also die Leistungen der Ökosysteme in den Blick zu nehmen, keineswegs zwingend Monetarisierung, aber er öffnet ihr Tür und Tor. Wir sind ja gewohnt, dass Dienstleitungen etwas kosten. Die meisten Services der Natur sind umsonst, und hier liegt laut ES-Ansatz angeblich das Problem. »We use nature because it's valuable, but we lose it because it's free», wie es in einer fast schon klassischen Formulierung von Pavan Sukhdev heißt. Er wurde als Banker der Deutschen Bank zum Leiter des internationalen Projekts «The Economics of Ecosystems and Biodiversity» (TEEB). Erklärtes Ziel dieses Projektes ist es, den ökonomischen Wert der Services von Ökosystemen und der Biodiversität erfassbar zu machen, um diese effektiver vor Zerstörung und Raubbau zu schützen. «Putting a Price on The Real Value of Nature», den Leistungen der Natur einen Preis geben – das sollte zur Lösung des Problems führen.

Und es wurde zu einer globalen Parole, verkündet von der Weltbank und unzähligen Akteuren bis in das Lager von NGOs wie dem WWF. Der Begriff Value, Wert, ist schillernd, er muss nicht unbedingt in Geld ausgedrückt werden. So kann der Service «Bereitstellung von Fischen» ganz einfach durch die Zahl der Fische oder in Tonnen ausgedrückt werden. Die Monetarisierung aber wurde zum Höhepunkt der Valorisierung – denn monetäre Werte sind allen vertraut, insbesondere der Politik. Und so wird seit Jahren zum Beispiel eifrig der ökonomische Wert der Bestäubungsleistungen der Bienen berechnet. Zwei Milliarden sind es, die laut den Angaben des deutschen Imkerbundes die fleißigen Insekten jährlich erwirtschaften.

Was ist nun daran falsch oder problematisch? Der Ansatz von Ökosystemdienstleistungen entwirft ein spezifisches Bild der Natur – die Natur wird zu einem Dienstleister der Menschen degradiert, ein radikal anthropozentrischer Ansatz. Und in den Blick geraten damit insbesondere die «Leistungen» der Natur, die dem Menschen dienen und die messbar sind. So wird eine Natur geschaffen, die die Ökonomie erfassen kann. Besonders sperrig erweist sich dabei der Blick auf die Biodiversität. Es ist allgemein anerkannt, dass die Diversität des Lebens die Voraussetzung seiner Zukunftsfähigkeit ist. Sie ist Daseinsgrundlage und daher nicht als ein Service für Menschen quantifizierbar.

Der Ansatz lässt die Leistungen der quantifizierten Natur als austauschbar und tendenziell handelbar erscheinen. So können nun Flüge im globalen Norden durch CO₂-Reduzierungen im globalen Süden ausgeglichen werden, etwa durch Projekte, die Bäume pflanzen. Dieses Bild der handelbaren Natur stößt im globalen Süden auf großen Widerstand und ist indigenen Völkern völlig unverständlich – also gerade denen, die Natur nutzen, ohne sie großflächig zu zerstören.


Dr. Thomas Fatheuer hat viele Jahre in Brasilien gelebt und gearbeitet. Zuletzt hat er das Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Rio de Janeiro geleitet. Seit 2010 lebt er wieder in Deutschland und ist als Autor tätig. Er hat zahlreiche Studien und Artikel zu Amazonien und der Ökonomisierung der Natur veröffentlicht. 

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